Erdbeben in Hualien und Abschluss in Taipeh

Von Fengbin nach Hualien

Sie ist wieder da! Die Sonne ☀️!

Sie strahlt vom makellosen Himmel und auch das Meer hat seine Farbe gewechselt, vom bedrohlichen grau in ein einladendes azurblau. Von dem Sturm der letzten Tage ist nur noch ein laues Lüftchen übrig geblieben. Heute muss uns niemand motivieren! 

Es ist unser letzter echter Radtag. Wir hatten in unserer Planung Hualien als Endstation auserkoren. Das taiwanesische Tourismusbüro empfiehlt, die Anschlussstrecke von Hualien nach Toucheng mit der Bahn zu überbrücken, wegen der Tunnels ohne Radwege und dem Schwerverkehr auf diesem Abschnitt. Klar, dass wir uns daran halten. Von Toucheng nach Taipeh wären es dann nochmal 70km, da lohnt der erneute Einstieg kaum. Zudem wollten wir den Ballungsraum mit dem Rad ohnehin umgehen.

So gehen wir bestens gelaunt das Tourfinale an. Um es vorwegzunehmen: es ist das schönste Finale, das wir uns vorstellen konnten! Die Landschaft ist ein Traum, das Wetter ideal und der Verkehr ist auch sehr moderat. Zudem ist die Strecke sehr abwechslungsreich. Oft führt der Weg direkt an der Küste entlang, dann geht es wieder in die Berge hinauf bis auf 250m Höhe – entsprechende Ausblicke inklusive.

Hatten wir uns in den vergangenen 3 Tagen oft gewünscht, schneller am Ziel zu sein, so ist heute das Gegenteil der Fall. Ständig halten wir an und genießen den Ausblick auf den Ozean. Mal von den Klippen aus und mal liegen wir direkt am Strand. Zu guter Letzt kommen wir sogar noch in den Genuss von Rückenwind. Es scheint, als würde sich Taiwan nochmal mächtig ins Zeug legen, dass uns die Radtour in schönster Erinnerung bleibt. Das wird sie!

Erdbeben in Hualien!

Am Abend noch ein Erlebnis der besonderen Art: Wir genießen es, wieder in einer größeren Stadt zu sein. Die letzten Unterkünfte lagen immer in kleineren Dörfern ohne (touristische) Infrastruktur. Man war schon froh, wenn man eine Garküche fand, die von 17:00-19:00 offen hatte, um die Einheimischen zu versorgen.

So machen wir uns voller Vorfreude auf den Weg zum Nachtmarkt in Hualien. Das Angebot ist berauschend, hier gibt es hunderte von Essensständen und scheinbar nichts, was es nicht gibt. Das Angebot reicht vom Beefsteak bis zur gebratenen Katze (zumindest laut meiner Übersetzungsapp). Es gibt auch ein großes Zelt, vergleichbar mit unseren Festzelten, in dem man das Essen dann im Sitzen einnehmen kann. Dort nehmen wir unseren Platz ein und verspeisen gemütlich unser Kätzchen (keine Angst, war nur Spaß 😉

Plötzlich ein lauter Krach. Es hört sich an, als sei in unmittelbarer Nähe ein Flugzeug abgestürzt und die Welle der Detonation hätte das Zelt getroffen. Sekundenbruchteile später wackelt der ganze Tisch, begleitet von einem Donnergrollen. Das Festzelt schwankt und die Aluträger ächzen. Circa 3 – 5 Sekunden dauert es, dann ist der Spuk vorbei. Uns wird klar: das war ein Erdbeben!

Unmittelbar danach kommt schon die Warnmeldung aufs Handy. Erdbebenalarm, wir sollen ruhig bleiben und ggf. Schutz suchen. Wenige Menschen verlassen das Zelt, die allermeisten bleiben sitzen und essen nach kurzer Unterbrechung ruhig weiter. Die kennen das scheinbar. Außer uns sind weit und breit keine Touristen zu sehen. Wir orientieren uns an den Einheimischen und bleiben ebenfalls. Kurze Zeit später die Meldung von Google: Erdbeben der Stärke 4,7. Betroffene Länder Taiwan, China, Japan und die Philippinen. Das Epizentrum lag ganze 8 km von unserem Standort entfernt!

Um die Gelassenheit der Einheimischen zu verstehen, muss man wissen, dass Erdbeben in Taiwan zum Alltag gehören. Die Gegend, in der wir gerade sind, gehört zu den seismisch aktivsten der Welt. Alleine in den letzten 4 Wochen sind für Hualien 8 (!) Beben dieser Größenordnung registriert worden. 

Grund für Häufigkeit der Beben ist die Lage des Landes am Rand der Eurasischen Platte, wo diese mit der Philippinischen Platte kollidiert. Die Regierung und die Bevölkerung Taiwans sind aufgrund dieser Gefahr sehr gut vorbereitet, mit strengen Bauvorschriften für Erdbebensicherheit und einem gut organisierten Notfallmanagement, im Gegensatz zu vielen anderen Ländern der Welt.

Es wirkt sicherlich bedrohlich, so etwas mit zu erleben. Für mich ist es aber auch faszinierend. Während meines Geographiestudiums habe ich mich mit dem Thema befasst und musste auch mal ein Referat darüber halten. Jetzt, etwa 40 Jahre später, bekomme ich so ein Naturschauspiel live mit. Solange nichts passiert ist alles gut!

Eine Stunde nach dem Beben schlendern wir zurück ins Hotel. Business as usual auf den abendlichen Straßen Hualiens. Die Taiwanesen scheinen das genauso zu sehen…

Was wir noch nicht ahnen: nur eine Woche später wird Taiwan von einem der schwersten Erdbeben der jüngeren Geschichte heimgesucht, mit vielen Toten und Verletzten. Das Epizentrum lag wieder bei Hualien.

In der Taroko-Schlucht 

Tags drauf genießen wir unseren ersten radfreien Tag seit langem und machen uns mit einem Fahrer, den wir am Bahnhof aufgeschnappt haben (man könnte auch sagen, dass er uns aufgeschnappt hat) auf den Weg zur 20 km entfernten Taroko-Schlucht, einer beeindruckenden geologischen Formation entstanden durch die tektonische Bewegung der eurasischen und philippinischen Platten, die vor Millionen von Jahren begann und weiterhin aktiv ist. Daher auch die Beben. Diese Bewegungen haben dazu geführt, dass der Liwu-Fluss die Schlucht über Millionen von Jahren hinweg in das Marmorgestein geschnitten hat. Sie ist 19 km lang und gilt als größte Marmorschlucht der Welt. Die senkrechten Wände, die die Schlucht flankieren, sind bis zu 1200m hoch. Keine Kamera der Welt kann diese Landschaft so einfangen, dass die Bilder auch nur einigermaßen der Realität gerecht werden. 

Im ethnologischen Kontext hat die Taroko-Schlucht eine große Bedeutung für die indigene Bevölkerung Taiwans, insbesondere für den Taroko-Stamm, der nach der Schlucht benannt ist. Sie betrachten die Schlucht als heiligen Ort, der mit ihrer Geschichte, Kultur und spirituellen Überzeugungen verbunden und nutzen die Schlucht für Rituale, Zeremonien und als Quelle traditioneller Heilkräuter.

Wir sind froh, einen kundigen Führer dabei zu haben, der uns an die besten Ecken heranfährt, von wo aus wir unsere Wanderungen auf den ausgewiesenen Trails unternehmen und immer wieder ins Staunen kommen, bei den fantastischen Ausblicken.

Auf der Heimfahrt spricht er uns auf den Krieg in Europa an und sagt,  er hoffe, dass der Krieg sich nicht ausdehnt. Ich frage ihn, ob er Angst habe, dass China Taiwan angreift. Er sagt nein, das Verhältnis von China und Taiwan werde die Zeit schon regeln. 

Ich weiß zwar nicht ganz, was er damit gemeint hat aber hoffe sehr, dass er Recht behält…

Radtour zum Badestrand

Wer schon öfters unsere Reiseberichte gelesen hat, kennt das: die schönsten Fleckchen finden wir oft dort, wo wir sie nicht erwarten. So auch heute. Eigentlich geht es heute nur noch darum, die Zeit zu überbrücken. Den Tag hatten wir als Puffer für „Unvorhergesehenes“ während der Radtour vorgesehen. 

Also packen wir die Badesachen ein, steigen nach einem Tag Abstinenz wieder auf unsere Räder und radeln Richtung Küste. Schon bald treffen wir auf einen Radweg, der tatsächlich mal abseits aller Straßen durch ein idyllisches Naturschutzgebiet verläuft. An dessen Ende tut sich ein kilometerlanger schöner Strand auf, an dem wir fast die einzigen Gäste sind. Die Räder nehmen wir mit bis zum Wasser, und verbringen einen echten Strandtag. So etwas hat in dem Urlaub noch gefehlt!

Der Abend gehört wieder dem Nachtmarkt. Diese Märkte haben es uns angetan. Man isst zu zweit für weniger als 10 Euro besser als in den meisten Restaurants, wo es erheblich teurer ist. Dazu Live-Musik, Künstler, Schießbuden, Kitsch und was man sonst so nicht braucht. 

Alles in allem mal wieder ein überraschend schöner Tag!

Zurück in Taipeh

Back, where we startet. Die Insel ist umrundet!

Nachdem wir gestern mit dem Zug zurück nach Taipeh gefahren und dort unsere liebgewonnenen Rädchen abgegeben haben, sind wir heute wieder per Pedes in der Stadt unterwegs. Es steht ja noch einiges auf dem Programm.

Zunächst ein wenig Geschichte am Chiang Kai Sheck Menorial. Chiang Kai-shek  war Chef der Kuomintang (KMT) Partei und führte die nationalistische Regierung während des chinesischen Bürgerkriegs gegen die Kommunistische Partei Chinas.

Nach dem Sieg der Kommunisten auf dem chinesischen Festland im Jahr 1949 zog sich Chiang mit seiner Regierung und seinen Anhängern nach Taiwan zurück. Er regierte Taiwan unter Kriegsrecht bis zu seinem Tod im Jahr 1975. Während seiner Herrschaft erlebte Taiwan ein schnelles Wirtschaftswachstum und eine Industrialisierung, aber auch politische Unterdrückung. Erst nach Chiangs Tod vollzog Taiwan den Übergang zur Demokratie.

Vom historischen Taipeh geht es dann zum modernen und was könnte das besser symbolisieren als das Taipeh 101? Das 101 prägt die Skyline Taipehs wie kein anderes Gebäude und ist mittlerweile das Wahrzeichen der Stadt. Benannt ist es nach seinen 101 Stockwerken. Mit einer Höhe von 508 Metern war es bei seiner Fertigstellung im Jahr 2004 das höchste Gebäude der Welt, bis es 2010 vom Burj Khalifa in Dubai übertroffen wurde. Natürlich müssen wir da hoch und die Aussicht ist trotz des diesigen Wetters bei 31° und hoher Luftfeuchtigkeit einfach atemberaubend!

Noch einmal blicken wir auf das Land, was uns 2 Wochen lang fasziniert hat und dessen Landschaft, Essen und (vor allem) Menschen wir richtig liebgewonnenen haben.

再见 Zaijian Taiwan!


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