Friedrichshafen – Lindau – Alpsee – Füssen – Staffelsee – Bad Tölz – Bad Feilnbach – München
Anfahrt und Tourenstart
Vorbemerkung
Wir waren schon oft in den Alpen unterwegs. Dreimal haben wir sie mit Mountainbikes auf kleinen Trails überquert, und bei unseren großen Touren nach Rom und Venedig sind wir überwiegend auf Passstraßen und Radwegen gefahren. Die Alpen sind dann am schönsten, wenn man die Möglichkeit hat, „hoch hinaus“ zu kommen und die Fernsicht zu genießen. Dann werden sie – im wahrsten Sinne des Wortes – zum Highlight.
Die meisten Radrouten verlaufen allerdings überwiegend in den Alpentälern, wo Radwege, Eisenbahn, Autobahn und Stromtrassen oft dicht beieinander liegen (z.B. im Inn- oder Wipptal). Dort ist das Landschaftserlebnis weniger reizvoll. Demgegenüber haben wir auf unseren großen Touren immer die Zeit im Alpenvorland genossen und bedauert, dass wir diesen Teil in Nord-Süd-Richtung so schnell hinter uns gebracht haben.
Wieso nicht mal an den Alpen entlang, statt drüber?
So entstand die Idee, einmal eine „Bayern-Tour“ in West-Ost-Richtung entlang der Alpen zu fahren und eine Woche lang die Landschaft zu genießen, die uns bisher schon so viel Freude bereitet hat, aber oft zu kurz gekommen ist. Eine Radroute, die dies in ganzer Pracht widerspiegelt, ist der Bodensee-Königsee-Radweg, an dem auch wir unser Routing orientieren.

Das Team
Diesmal sind unsere Freunde Ingo und Rita mit dabei. Ingo kenne ich schon seit Kindergartentagen. Unsere Kennenlernphase war nicht immer spannungsfrei, und wir hätten uns damals wohl kaum vorstellen können, dass wir einmal unsere 60-jährige Freundschaft auf einer gemeinsamen Radtour feiern würden. Rita kenne ich noch nicht ganz so lange, aber 50 Jahre dürften es auch bald sein.
Die beiden kommen zu uns nach Eschborn, von wo aus wir die Bahn nach Lindau nehmen. Bis Ulm haben wir im ICE reserviert – bereits ein halbes Jahr im Voraus, da die Fahrradplätze im Fernverkehr der Bahn sehr knapp sind. Die Anspannung vor solchen Fahrten ist bei mir immer recht hoch. Fällt ein Zug aus, nimmt man als Fußgänger einfach den nächsten. Mit Fahrrädern ohne Reservierung hat man aber ein echtes Problem, denn die nächsten freien Plätze gibt es dann oft erst Monate später.
Mit dem Rad in der Bahn: Immer wieder ein Krimi!
Bei uns klappt es aber. Der Umstieg in den Regionalexpress in Ulm lässt aufgrund der Verspätung des ICE den Adrenalinspiegel noch einmal ordentlich ansteigen, und das Hochwuchten der E-Bikes, die inklusive Gepäck sicher über 40 kg wiegen, über die Treppenaufgänge tut ein Übriges, um uns ordentlich in Wallung zu bringen.
Doch dann sitzen wir endlich entspannt in unserem Zug in Richtung Lindau. Da wir gut in der Zeit liegen und der Wetterbericht nach vielen Regentagen zumindest für den Rest des Tages Trockenheit verspricht, beschließen wir, bereits in Friedrichshafen auszusteigen und die letzten 30 km bis zu unserem Hotel in Lindau am See entlang zu radeln – eine lockere Tour zum Einfahren.





In Lindau angekommen, bummeln wir noch ein wenig durch die Altstadt und den Hafen, genießen das gemeinsame Abendessen und gehen recht früh zu Bett, um fit für den nächsten Tag zu sein. Kerstin und ich sind gerade am Wegdämmern, als wir durch lautes Gehupe aus dem Schlaf gerissen werden. Die Italiener feiern mit einem Autokorso ein mageres 2:1 gegen Albanien bei ihrem Auftaktspiel zur EM. Im Nachhinein sei es ihnen gegönnt, viel mehr Grund zum Feiern hatten sie danach nicht mehr…
Es geht los: Durch das Allgäu von Lindau zum Alpsee
Auch wenn wir nach dieser Nacht noch etwas gerädert sind, steigen wir keineswegs missmutig auf die Räder. Im Gegenteil: Wochenlang war es bei uns zuhause verregnet, und nun – pünktlich zum Tourenstart – herrscht Kaiserwetter. Die Sonne strahlt, und die Stimmung könnte kaum besser sein, als wir die ersten Kilometer am See entlang Richtung Bregenz fahren, bevor wir der Laiblach Richtung Nordosten folgen. Das kleine Flüsschen führt durch ein dicht bewaldetes Naturschutzgebiet und bildet gleichzeitig die Grenze zu Österreich.



Nach etwa 12 Kilometern verlassen wir das Leiblachtal, und unser erster längerer Anstieg steht bevor. Kerstin, Ingo und Rita tun sich mit ihren E-Bikes deutlich leichter als ich, der noch „oldschool“ unterwegs ist, und müssen des Öfteren warten. Das ist aber überhaupt kein Problem, denn das Wetter ist bestens und die Aussicht auf das Voralpenland fantastisch. So legt man gerne Pausen ein. Unsere Tagesetappen sind mit maximal 70 km auch so geplant, dass das problemlos möglich ist.




Die Route führt in stetem Auf und Ab durch das Allgäu. Überwiegend sind wir auf schön asphaltierten Sträßchen unterwegs, auf denen so gut wie nichts los ist. Immer wieder kommen wir an top gepflegten Höfen vorbei, auf deren Weiden Kühe mit ihren Glocken bimmeln. Kleine Dörfer und idyllisch gelegene Biergärten runden das Bild ab. Die haben’s schon schön, die Bayern. Das muss man ihnen lassen…
Am Nachmittag erreichen wir den Alpsee und beziehen unser Hotel in Bühl. Wir freuen uns über den ersten Tourentag, der schöner kaum hätte sein können.



Von See zu See: Immenstadt – Füssen
Nach einer diesmal ruhigen Nacht besteigen wir beizeiten die Räder. Da es im Hotel keine Verpflegung gibt, fahren wir die ersten 3 Kilometer nach Immenstadt, wo wir ein schönes Café zum Einkehren finden. Lange halten wir uns nicht auf, denn für heute sind Gewitter angesagt, da wollen wir nicht zu sehr trödeln.

Gut gestärkt geht es zunächst weiter Richtung Süden, immer an der Iller entlang, und die Allgäuer Hochalpen vor Augen. Vor Sonthofen haben wir den tiefsten Punkt der heutigen Tour erreicht, ab jetzt heißt es wieder Aufstieg.
Auch heute machen wir wieder die Erfahrung, die wir schon so oft auf unseren Touren gemacht haben: Jeder Höhenmeter lohnt sich! Über traumhaft schöne, kleine asphaltierte Straßen fahren wir bis zum Rottachsee, an dessen Ufer wir eine kleine Rast einlegen und noch ein paar Vorräte vertilgen, die wir uns im Café in Immenstadt mitgenommen haben.




Weiter bergauf geht es bis Oy-Mittelberg, in dessen Nähe wir mit 988 Metern den höchsten Punkt unserer Tour erreichen. Den Grüntensee lassen wir rechts liegen und nehmen Kurs auf Nesselwang. Als wir nach 60 km und einer tollen Abfahrt am Hopfensee ankommen, hat es sich zwar schon zugezogen, aber es ist immer noch trocken. Von hier aus ist es nur noch ein Katzensprung zu unserem Hotel in Füssen, und wir beschließen, es uns in einem Restaurant an dem idyllischen See nochmal richtig gut gehen zu lassen. Leckeres Essen, Weizenbier und dazu der Blick über den See in die Lechtaler Alpen. Das passt!





Die letzten 5 km geben wir dann aber doch nochmal Gas, denn das Wetter ist uns nicht geheuer. Just in dem Moment, wo wir die Räder in die Tiefgarage des Hotels schieben, bricht dann auch das Gewitter über uns herein, mit Blitz, Donner und Hagel. Glück gehabt! Nachdem wir geduscht und uns umgezogen haben, ist von all dem nichts mehr zu sehen, und einem schönen Abend in der Füssener Altstadt steht nichts mehr im Wege.
Besuch bei König Ludwig und Weiterfahrt zum Staffelsee
Man mag ja von dem exzentrischen Aristokraten mit seinen disneyartigen Bauten halten, was man will, aber ganz ehrlich: Füssen ohne Schloss Neuschwanstein geht gar nicht! So steht am Morgen zunächst eine kurze Stippvisite bei den Königsschlössern an. Besichtigungen sparen wir uns; der Touristentreff im Tal als Ausgangspunkt für Kutschfahrten und Treffpunkt der Selfie-Sammler reicht allemal, um eine Vorstellung davon zu bekommen, was direkt am Schloss los ist. Wir haben es uns erst vor zwei Jahren angeschaut, das reicht.




Also geht es zügig weiter auf unserem Weg vom Allgäu nach Oberbayern. Auf Radwegen geht es zunächst eben parallel zur Landstraße am Bannwaldsee entlang, bis wir uns bei Kilometer 20 aus dem Tal verabschieden und die ersten Höhenmeter erklimmen. Trotz des Anstiegs ist die Strecke ein Genuss! Auf kleinen, verkehrsarmen Sträßchen geht es durch grüne Wiesen mit weitem Blick auf die Alpen – und das bei schönstem Sonnenschein! Was will man mehr?

Ein kulturelles Highlight steht ebenfalls auf dem Programm: Bei Kilometer 28 treffen wir – weit abseits größerer Städte – auf ein UNESCO-Weltkulturerbe. Die zwischen 1745 und 1754 erbaute Wieskirche zählt mit ihren aufwändigen Stuckverzierungen und Deckengemälden zu den bedeutendsten Rokokobauten der Welt. Klar, dass wir ihr einen Besuch abstatten, und ebenso klar, dass wir den danebenliegenden Biergarten nicht vernachlässigen.




In dieser hochgelegenen Voralpenlandschaft geht es weiter, bis wir nach 50 km Bad Kohlgrub erreichen, den ersten größeren Ort. Es folgt eine lange Abfahrt über etwa 250 Höhenmeter, und unten angekommen erleben wir eine ganz andere Landschaft. Die Berge liegen hinter uns, die Straßen sind wieder flach, und es dominieren große, grüne Weiden und sanfte Hügel.
Noch 5 Kilometer bis Seehausen, wo wir in einem Gasthof in der Nähe des Staffelsees übernachten. Von dort ist es nur ein kurzer Spaziergang hinunter zum See, wo wir auf einer Bank sitzen und auf den See hinausschauen, dessen Ufer herrlich unverbaut und natürlich wirken. Es tut gut, nach einem weiteren schönen Tourentag so ein wenig abzuhängen.

Vom Staffelsee nach Bad Tölz
Vom Staffelsee, dessen ruhiges Wasser und umliegende grüne Wiesen einen perfekten Auftakt für einen Radtag bilden, folgen wir am nächsten Morgen weiter dem Bodensee-Königsee-Radweg auf einer malerischen und abwechslungsreichen Strecke durch Oberbayern.

Die ersten Kilometer Richtung Kochelsee führen durch sanfte Hügel und kleine Dörfer, die von traditioneller bayerischer Architektur geprägt sind. Schon bald öffnet sich die Landschaft und gibt einen atemberaubenden Blick auf die Zugspitze, die als höchster Berg Deutschlands gewaltig in den Himmel ragt.



Wir lassen den Kochelsee rechts liegen und es geht weiter durch die Voralpenlandschaft, vorbei an klaren Bächen und durch schattige Wälder. Die letzten 10 Kilometer folgen sind wir auf einem Radweg an einer Bundesstraße unterwegs. Obwohl der wirklich gut ausgebaut und zu befahren ist, merken wir, wie verwöhnt wir inzwischen sind, sehnen uns nach den stillen Wegen abseits des Verkehrs zurück.
Nach einer rasanten Abfahrt ins Isartal passieren wir die Stadtgrenze von Bad Tölz und schon bald eröffnet sich der Blick auf die Isar und die historische Altstadt mit ihren bunten Fassaden und reich verzierten Häusern. Menschen planschen im Fluss oder spielen und flanieren an dessen Ufer, die höher gelegene Altstadt mit ihrem Marktplatz sieht aus wie von Zuckerbäckern erschaffen.



So zieht es uns auch gleich, nachdem wir unser Hotel bezogen haben, wieder zurück in die Stadt. Den Abend verbringen wir in einem Biergarten bei gutem Essen und trinken und schauen auf dem großen Bildschirm das EM-Spiel Deutschland gegen Ungarn an. Das Sahnehäubchen auf einem erlebnisreichen Tag.
Durch das Herz Oberbayerns: Von Bad Tölz nach Bad Feilnbach
Auch heute dauert es zunächst ein wenig, bis wir dem verkehrlichen Gewusel von Bad Tölz entkommen, doch schon bald verläuft unser Weg wieder so, wie wir es gewohnt sind, auf asphaltierten Wegen und ruhigen Landstraßen und vorbei an grünen Wiesen. Nach etwa einer Stunde mit knackigen Auf- und Abfahrten erreichen wir bei Gmund den Tegernsee. Dort halten uns aber nicht lange auf, sondern fahren Richtung Osten weiter über die nächste Hügelkette zum Schliersee.

An dessen idyllischen Westufer radeln wir entlang bis zur Rixner Alm, wo wir einen schönen Ort zur Einkehr finden. Der Schliersee ist ein echtes Juwel der Region, umgeben von dicht bewaldeten Hängen und malerischen Almen, vom Ambiente her ganz anders als der doch etwas trubelige Tegernsee.



Schon bald nach dem Verlassen des Sees haben wir ein weiteres Wahrzeichen der Voralpen vor Augen, den Wendelstein. Wer oft mit dem Auto Richtung Süden fährt, kennt das Panorama: Schon bald nach München tauchen die Vorboten der Alpen als Silhouette auf, in der Mitte dieser 1838 Meter hohe Berg mit Stern-, Wetterwarte und Funkmasten auf seinem Gipfel. Ihn umfahren wir in westlicher Richtung und erreichen auf wunderschönen Radwanderwegen am Nachmittag Bad Feilnbach, der letzten Station unserer Radtour.

Die Tour geht zu Ende: Von Bad Feilnbach nach München
Ursprünglich hatten wir vor, dem Bodensee-Königsee-Radweg noch weitere 40 km bis zum Chiemsee zu folgen und von dort noch am selben Nachmittag mit dem Zug nach München zu fahren. In München haben wir eine Übernachtung in einem Hotel nahe dem Hauptbahnhof gebucht, von wo aus es am nächsten Tag zurück nach Frankfurt gehen sollte.


Als wir am Morgen aufstehen, ist der Himmel wolkenverhangen und es regnet ein wenig, zum ersten Mal auf unserer Tour. Irgendwie ist bei uns allen die Luft raus. Wir haben unglaublich schöne Tage hinter uns und es ist kaum zu erwarten, dass an diesem trüben Tag das Niveau gehalten werden kann. So entschließen wir uns, direkt Kurs auf München zu nehmen. Etwa 40 km radeln wir noch, unterbrochen durch eine kurze Stippvisite bei Kerstins Tante und Onkel in Bruckmühl, bevor wir in die S-Bahn umsteigen und uns so den Münchner Stadtverkehr ersparen.
Aber keine Angst: so sang- und klanglos wollen wir das Ganze nicht ausklingen lassen! Deshalb haben wir uns für den Abend noch ein besonderes Ziel ausgesucht: Der Augustiner Biergarten ist genau der richtige Ort, um uns abfeiern und eine herrliche Radwoche nochmal Revue passieren zu lassen.


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