Ausklang und Fazit

Mit der Fähre von Trelleborg nach Travemünde und weiter über Hamburg nach Lüneburg.

Wir schlafen lange, denn wir haben es nicht eilig. Um 13:00 Uhr legt unsere Fähre ab und eine Stunde vorher sollen wir dort sein. Da der Hafen kaum 5 Gehminuten vom Hotel entfernt und der Tag sowieso gelaufen ist, reizen wir die Zeiten aus. Möglichst spät frühstücken und möglichst spät auschecken.

Im Hafen sind wir erstaunt von den riesigen Flächen und den Wegen, die wir zurücklegen müssen. Während die Fußgänger mit dem Bus vom Schalter am Eingangsbereich abgeholt werden, machen wir uns mit den Rädern auf den Weg. Wir kurven zwischen  Aufstellflächen für LKW und Container hindurch und haben über 3km auf der Uhr, als wir endlich vor unserem großen Pott stehen.

Auf unserer Spur stehen etwa 10 Biker, die allesamt mit ihren Rädern in Schweden unterwegs waren. Natürlich kommt man schnell ins Gespräch und wir erfahren,  dass wir wohl mit die meisten km hinter uns haben, was uns schon ein bisschen stolz macht. In der gleichen Spur stehen noch etwa 20 ältere Herren mit ihren dicken Harleys, anfangs grimmig dreinblickend aber nach Kontaktaufnahme mit eher sonnigem Gemüt. Die meisten von ihnen tragen Kutten, auf denen der Name ihres Motorradclubs vermerkt ist. Kerstin meint, das wäre ein bisschen so wie im Kindergarten. Da müssten die Kids beim Ausflug auch alle die gleiche Kappe tragen, damit keines verloren geht.

Neben uns Fahrspuren voll mit Wohnmobilen, dann kommen die PKW und mehrere Spuren mit LKW. Unglaublich, was auf so einen Kahn drauf passt! Das Schiff heißt Akka, ist 190m lang, 30m breit und 10 Decks hoch. Es bietet Platz für 540 PKW und wird von einer 30.000PS starken Maschine angetrieben, die uns mit bis zu 40km/h  in 8 Stunden nach Travemünde bringen soll. Wir werden sehen…

Auf jeden Fall dürfte es der faulste Tag unserer Reise werden aber bei schönem Wetter auf dem Sonnendeck können wir das durchaus genießen  😀

Fauler Tag auf dem Sonnendeck.

Von Travemünde nach Hamburg

Gestern wurde es recht spät, bis wir im Hotel ankamen. Die Fähre lief pünktlich um 21:00 Uhr im Hafen ein, aber es dauerte eine ganze Zeit, bis das Schiff festgemacht und entladen war. So kamen wir erst mit Anbruch der Dunkelheit in dem schönen Ort an. Schade! Leider war unser Hotel auch überbucht, so dass man uns in ein kleines Ferienapartment „verschoben“ hat, eigentlich eine winzige Hasenkiste. Teuerstes Hotel der Tour aber mit die schlechteste Unterkunft. Wir haben auf unseren beiden Radtouren immer wieder erlebt, dass bei den Übernachtungen teuer nicht gut und günstig nicht schlecht sein muss.

Heute starten wir nach ausgiebigem Frühstück auf unsere letzte lange Etappe. 86km stehen an, die uns nochmal einiges abverlangen. Den ganzen Tag haben wir mit kräftigem Gegenwind zu kämpfen. Das kostet Kraft und mittlerweile fällt es mir auch immer schwerer, diese Kraft mental aufzubringen. Ich bin jetzt fast 3 Wochen unterwegs und das große motivierende Ziel, Schweden zu erreichen, ist bereits abgehakt. Auch landschaftlich passiert momentan wenig Neues. Trotzdem wollen die Kilometer noch erbracht werden. Das ist eher eine mentale als körperliche Herausforderung.  Die letzten Kilometer des Tages lassen sich einfach zusammenfassen: „Kein Bock mehr!“

Doch kaum in Hamburg angekommen, stellt sich die Gemütslage schon wieder ganz anders dar. Nach einem schönen Spaziergang an Außen- und Binnenalster, einem Bummel durch den Kiez hier in St.Georg und gutem Essen und Trinken ist die Welt wieder in Ordnung und die Überzeugung obsiegt, dass sich auch diese Tour wieder gelohnt hat. 

Originelle Werbung der Hamburger Punks für einen Ausflug nach Sylt 🙂

In Hamburg legen wir nochmal einen Ruhetag ein. Wir genießen den Tag in mit einem Stadtbummel. Für uns gehört immer eine Hafenrundfahrt mit dazu, heute gönnen wir uns die XL-Variante. Auch wenn man die Rundfahrten schon oft mitgemacht hat, erlebt man immer etwas Neues, was auch daran liegt, dass jedesmal andere Schiffe zu bestaunen sind.

Überwältigend ist immer wieder die Größe der Schiffe, wenn man mit der vergleichsweise winzigen Barkasse an ihnen entlang fährt. Die Fotos können dieses Gefühl nicht annähernd wiedergeben. Besonders beeindruckend ist diesmal die „Ever Gentle“ der Reederei Evergreen. Sie ist ein Schwesterschiff der Ever Given, die vor einigen Monaten den Suez-Kanal blockiert hat und trägt 23.000 Container. Ein Container ist gut 6m lang. Aneinandergereiht ergäbe sich somit eine Strecke von rund 140km, deutlich mehr als meine längste Tagesetappe auf dieser Tour (120km).

Die letzte Etappe: Von Hamburg nach Adendorf

 Es ist vollbracht! Unsere Radtour ist zu Ende, pannen- und unfallfrei!

Wir starten in Hamburg bei gutem Wetter und wurschteln uns die ersten Kilometer durch den Hamburger Stadtverkehr. Auch in HH hat sich bezüglich Radwegen einiges getan und es läuft besser als erwartet. Schon nach kurzer Zeit erreichen wir die Elbe, die uns über viele Kilometer die Richtung vorgibt. Zeitweise fahren wir auf oder an ihrem Damm entlang und dann wieder etwas abseits durch die Elbauen mit ihren Wiesen und Wäldern. Ich hätte nicht gedacht, dass wir so entspannt aus der Stadt herauskommen und das unmittelbare Umland Hamburgs so schöne, naturnahe Ecken hat. Eigentlich fahren wir – mal von den ersten 8 Kilometern abgesehen – den ganzen Tag abseits des Verkehrs unterwegs. Als wir vorgestern vom Norden in die Stadt kamen, waren wir vom Ortsschild bis zu unserem Hotel nahe des Stadtzentrums noch fast 20 km im Stadtgewusel unterwegs.

Nach ca. 60km erreichen wir die Mündung des Elbe-Seiten-Kanals und hier schließt sich für uns der Kreis, denn auf seinem Damn haben Kerstin und ich vor 2 Wochen die ersten gemeinsamen Kilometer dieser Tour zurückgelegt, nachdem ich zuvor alleine von Eschborn nach Lüneburg geradelt war. Von hier aus ist es nicht mehr weit bis zu unserem Ziel.

Nach knapp 1.400km durch Deutschland, Dänemark und Schweden erreichen wir glücklich, zufrieden und auch ein wenig stolz Adendorf bei Lüneburg, wo wir schon vor dem Haus freudig von Kerstins Eltern in Empfang genommen werden.

Zurück bei Kerstins Schwiegereltern in Adendorf bei Lüneburg

Ihr wollt Teile der Tour oder sogar die ganze Tour nachfahren? Hier findet ihr die entsprechenden Tracking-Daten:

Eschborn-Schweden, Fazit nach ca. 1400km

Wir sind mittlerweile echte Fans von Radreisen geworden und auch diese Tour hat uns wieder darin bestätigt. Kaum eine andere Art des Reisens wirkt so entschleunigend und im positiven Sinne Distanz schaffend zum Alltag. Schon nach wenigen Tagen im Sattel hat man das Gefühl, in einer anderen Welt zu sein. Zudem sieht man sieht nicht nur mehr, sondern man nimmt die Umgebung mit allen Sinnen viel intensiver wahr. Im Vergleich zum Wandern ist der Aktionsradius noch deutlich größer, so dass während einer ganz normalen Urlaubsdauer beachtliche Strecken zurückgelegt werden können. Ich liebe es dabei, an der eigenen Haustür loszufahren, weil man da noch einmal ein ganz anderes Verhältnis zu den Entfernungen bekommt. Auch die diesjährige Tour nach Schweden hat uns in all diesen Punkten bestätigt.

Für mich lässt sich die Tour grob in 3 Abschnitte einteilen. Der erste Teil führte über gut 500 km von Eschborn nach Lüneburg. Den bin ich alleine gefahren. Die 5 Tage, die ich mir dafür Zeit genommen habe, waren rückwirkend zu wenig. Über 100km am Tag mit Gepäck waren bei meinem Fitnesslevel zu viel. Es ist machbar, aber der Spaß bleibt da schon manchmal auf der Strecke. Es fühlte sich eher wie intensives Training an, als wie Urlaub. Sehr schön war, dass man auch hier Gegenden, die man gut zu kennen meint, mit ganz anderen Augen sieht.

Der nächste Abschnitt ging von Lüneburg bis Puttgarden auf Fehmarn. Hier hat uns die Strecke bis Lübeck auf der Alten Salzstraße am besten gefallen. Von dem Teilabschnitt an der deutschen Ostseeküste zwischen Timmendorfer Strand und Fehmarn waren wir eher enttäuscht. Gefühlt war es eine Aneinanderreihung von Bausünden und die schönen Strandabschnitte erschienen flächenmäßig eher klein im Vergleich zu den Ferienwohnburgen drum herum. Aber vielleicht sind wir da durch unsere Amrum-Urlaube auch einfach zu verwöhnt…

Unser Highlight war natürlich der skandinavische Teil der Tour. Beeindruckt hat uns zum einen die Landschaft und die sehr oft als angenehm empfundene Einsamkeit. Mit so etwas hätte ich vorher viel weiter im Norden gerechnet, aber nicht in Dänemark oder Südschweden. Selbst an den schönen Stränden war oft keine Menschenseele zu sehen. Kein Vergleich zu unserer Venedigtour im vergangenen Jahr, wo auf den einschlägigen Abschnitten eine Menge Radtouristen unterwegs waren.

Begeistert haben uns aber nicht nur die Natur sondern auch die Städte Kopenhagen und Malmö. In Sachen Lebensqualität können wir dort noch einiges lernen. Das fängt an mit der beispielhaften Fahrradinfrastruktur bei der mir – als Verkehrsplaner, der einst seine Diplomarbeit über Radverkehrsplanung in Großstädten geschrieben hat – das Herz aufgeht. Der ÖPNV ist übrigens von ähnlicher Attraktivität. Es gibt vermutlich nicht allzu viele Gründe, in solchen Städten mit dem Auto unterwegs zu sein.

Hinzu kommt, dass die Städte sehr grün sind und mit vielen Park- und Wasserflächen durchsetzt. Alles wirkt sehr sauber und gepflegt, selbst öffentliche Toiletten, die unentgeltlich zu nutzen sind. Seelenlose Geschäftsstraßen, in denen sich wie auf der Zeil Kette an Kette reiht, haben wir dort nicht gesehen,  stattdessen einen schöne Durchmischung von Wohnen, Arbeiten und Läden.

Geradezu demütig wird man als Deutscher wenn man die fortgeschrittene Digitalisierung sieht, wie einfach das ganz alltägliche Dinge des Lebens macht und wie dadurch überall Wartezeiten verkürzt werden. Man schämt sich fast ein wenig, wenn man sieht, wie abgehängt wir mittlerweile sind. Ich glaube, dass dies auch wirtschaftliche Ursachen hat. Wir haben in Deutschland mittlerweile einen der größten Niedriglohnsektoren in Europa. Warum soll man Prozesse digitalisieren, wenn es Menschen gibt, die die Arbeit für „nen Appel und n Ei“ ausführen? Der große Niedriglohnsektor erscheint bei uns eher innovationshemmend. In Dänemark und Schweden ist das Lohnniveau recht hoch, dazu kommen noch hohe Lohnnebenkosten, was den Innovationsdruck zusätzlich erhöht.

Die Dänen und Schweden haben wir als sehr entspannt und freundlich erlebt. Autos scheinen hier grundsätzlich ohne Hupe ausgeliefert zu werden, jedenfalls hört man so gut wie nie eine. Wenn wir auf verkehrsarmen Landstraßen mal nebeneinander gefahren sind und von hinten sich ein Auto näherte, haben wir uns aus deutscher Gewohnheit anfangs sofort wieder hektisch in Reih und Glied geordnet. Dabei haben die Autofahrer dort meistens überhaupt kein Problem damit. Das alles macht Dänemark und Schweden zu fast optimalen Radreiseländern.

Warum nur fast? Nun ja,  ein Manko kann da schon mal das Wetter sein. Während unserer Reisezeit war es sehr oft kühl und windig und Regen war auch keine Seltenheit. Das kann einem den ein oder anderen Tag schon ein wenig vermiesen. Sollten wir nochmals eine ähnliche Tour machen,  dann deutlich später im Jahr, wenn sich die Ostsee schon stärker erwärmt hat und mit höheren Temperaturen zu rechnen ist.

Ein weiterer Punkt ist die gastronomische Versorgung auf dem Land. Der Tag, an dem wir nach über 90km ziemlich erschöpft an unserem Zielort ankamen und dann nochmal über 20km fahren mussten, um an eine warme Mahlzeit zu kommen, wird uns noch lange in Erinnerung bleiben. In den anderen Übernachtungsorten auf dem Land ist uns das zwar nicht mehr passiert aber auch dort gab es mitunter nur ein oder zwei „Restaurants“ und das war dann jedesmal eine Pizzeria und / oder eine Burgerbude, bei der man schon von weitem gerochen hat, dass da mal wieder ein Ölwechsel fällig wäre.  Was allerdings positiv hervorgehoben werden muss, sind die leckeren Süßigkeiten in den Bäckereien und Cafés unterwegs! Dennoch: Gourmets sind sicherlich in anderen Teilen Europas besser aufgehoben.

Das gilt auch für Leute, die am liebsten jeden Tag einen historisch bedeutsamen Ort, eine schöne Altstadt oder ein kulturelles Highlight auf der Strecke erwarten. Auch sie sollten sich eher Richtung Süden orientieren.

Wer indes Natur, Einsamkeit und skandinavische Lebensart liebt, sowie ein gesundes Maß an Wetterfestigkeit mitbringt, für den wird es kaum etwas Schöneres geben als eine Radtour durch Dänemark und Schweden. 


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